Montag, 30. Januar 2012

Aufgemerkt: Jim Moray



Britisches, allzu Britisches.

Den hätte ich mir mal schon früher näher zu Gemüte führen sollen. Mehr als eine flüchtige Bekanntschaft mit dem letzen Album Jim Morays, "Low Culture", war nicht drin. Irgendwie hatte es wohl nicht genügend Initialzündung geboten, gut dass ich mich dann mal etwas näher mit "Skulk" beschäftigt habe, dem neuesten Werk des umtriebigen Multiinstrumentalisten. Bislang heimlich still und leise über bandcamp veröffentlicht, darf man sich im April auch über einen physischen Release freuen, Grund genug schon einmal die Vofreude zu schüren.

Bereits der erste Song "The Captain's Apprentice" weist den Weg ganz gut auf die bevorstehende dreiviertel Stunde, Folk britischer Prägung, der zwar durchaus den ein oder anderen historischen Bezug sucht, alldieweil der Mut zum Experiment doch durchaus spürbar wird. So werden klassiche Themen und Figuren in neue Kleider geschneidert und zuweilen in eine nahezu bildhaft anmutende Szenerie gestellt. "Lord Douglas" wirkt hier zum Beispiel mit seinem stoischen Gitarrenpicking wie ein kleiner Alasdair Roberts-Klon und das altertümliche "Horkstone Grawe" mit seinen feinen Gesangsharmonien erklingt wie aus einer anderen Epoche und nutzt unter anderem den Support der wunderbaren Jackie Oates.
Immer dann wenn Moray seinen Folkstücken das Mehr an Raum bietet und entweder mit raumgreifender Eleganz wie bei "Seven Long Years" strahlende Blechbläser, Glockenspiel und Chorgesang zu einem pathetischen Rundumschlag ausholt oder fast schon aufreizend die musikalische Raffinesse seiner Mitmuskanten in den Vordergrund rückt wie beim Kinderlied "Hind Etin" erwacht "Skulk" aus seiner puren Reinheit  und erreicht genau dann seine zahlreichen Höhepunkte. Der Klaviereinstieg bei "The Captain's Apprentice" ganz zu Anfang ist so ein Moment, genauso wie es der erste Refrain des Fleetwood Mac-Covers "Big Love" einer ist.
Die Instrumentierung auf Morays fünftem Studioalbum ist darüber hinaus über jeden Zweifel erhaben. Er selbst virtuos und klangvoll an Stimmband, akustischer und electriktrischer Gitarre, E-Bass, Schlagzeug, Klavier, Orgel, Keyboard, Bouzouki, Banjo, Concertina und Melodeon schart neben Oates noch weitere Musiker der Brit-Folk-Szene um sich. Ganz dem Titel entsprechend schleicht sich "Skulk" in seiner ganzen Pracht unvermittelt an, um sich auch sicherlich auch nachhaltig im Ohr festzusetzen.


   Big Love by jimmoray

Sonntag, 29. Januar 2012

River Whyless



Rauschhaft naturumschlungen...

... sind wahrscheinlich Attribute, die "A Stone, A Leaf, An Unfound Door" von River Whyless (die sich früher mal Do It To Julia nannten) am besten umschreiben. Die Band, die sich selbst als Baroquefolk-Gruppe sieht kommt aus North Carolina und verarbeitet auf ihrem Album so ziemlich genau alles das, was dem Bänkelsänger lieb und teuer ist.

Die vier Musiker haben den so beliebten Indiefolk-Blumenstrauß lediglich in Nuancen erweitert und doch wirken die zehn Stücke eigenständig, abwechslungsreich und lassen sich nicht ohne weiteres mit Genre-Verwandten vergleichen. So strahlen die Songs fast immer eine innige Natürlichkeit aus, die vom beginnenden "Leaf" ausgehend das Album zusammenhält und organisch bis zum experimentierfreudigen "YU" durchhält. Womit wir sicherlich auch bereits das zweite kennzeichende Merkmal der Platte beim Namen genannt haben: denn vor allem in den längeren Stücken entwickeln die Amerikaner geradezu erzählerische Instrumentalpassagen, die den einzelnen Liedern neben genügend Seele auch Herz und Bauch mitgeben. Das merkt man vor allem beim herausragenden "Stone": hier knarzen Geige und Gitarre um die Wette, ein eigentlich leichtes Mumford & Sons-Therma verfängt sich in Streichergewitter und Tom Tom-Wirbel bis sich die fast schon post-rockende Atmosphäre wieder in die Spur fügt und zu einem vorantreibenden Americana-Kleinod wird. Das sich bei fast allen Songs Halli Anderson und Ryan O'Keefe am Gesangsmikrophon abwechseln und so für noch mehr Eigenartigkeit sorgen, braucht hier schon nicht mehr erwähnt werden.

Das dreigeteilte "Cedar Dream" bildet vielleicht so eine Art Herzstück des Albums, wobei zunächst der erste Part so eine Art Einschnitt darstellt. O'Keefe zittert sich nur zur Gitarre in einen Tagtraum und wird im zweiten Teil von Anderson zu mehr Tempo und Inbrunst verführt. Doch bevor sich das Stück komplett mit seiner Energie im Gehörgang festsetzen kann, schieben River Whyless drei weitere Lieder dazwischen, die sich klanglich zwar in das Gesamtkonzept des Albums einfügen, aber auch noch mal neue Facetten in das Klangbild hineinzaubern. Mit Glockenspiel und bestimmendem Rhythmus fodert der dritte albumtitelgebende Song "Unfound Door" zum Mitwippen, ja gar Tanzen auf, während sowohl "Pigeon Feathers" als auch "Widows Walk" die ruhigen, fließernden Momente auf virtuose Art bestreiten und sich dennoch nicht vor dem ein oder anderen Ausbruch scheuen. 
Kaum zu glauben, dass es sich bei "A Stone, A Leaf, An Unfound Door" um einen Erstling handelt, (wenngleich natürlich schon einige Jahre unter dem anderen Namen musiziert wurde) sind doch die Melodien ausgefeilt, das schmückende Beiwerk gezielt eingesetzt und die Stimmung einnehmend. So lässt man sich doch gerne mitnehmen und zu den weichen Violinklängen ein erstes Mal vom Frühling träumen. 

Man höre hier und lade bei Gefallen hier die erste Single herunter.

 

Sonntag, 22. Januar 2012

Beni Feldmann



Unverhofft kommt oft:

Ist es nicht schön, wenn man über Umwege Musik erhält, deren Urheber man sogar kennt bzw. mal gekannt hat. So geschehen bei Beni Feldmann, den die Anhänger irischer Folklore vielleicht von seiner Tätigkeit bei den "GoodnightFolks" her kennen. Seit November gibt es nun sein Solo-Debüt namens "Ich schreibe einfach einen Song!", dass sich stilistisch im weiten Feld des Folks tummelt und viele verschiedene Facetten zwischen Liedermacher, Folkrock und Volksmusik keltischer Prägung aufweisen kann. 

Vorweg gesagt, auf "Ich schreibe einfach einen Song" tummeln sich deutsch- und englischsprachige Eingenkompositionen sowie das durch Hannes Wader bekannt gewordene "Traum Vom Frieden". Dieses stetige Wechselspiel macht zum einen den Reiz der Platte aus, unterstützt aber auch ein wenig den Charakter, dass es sich um ein noch nicht hundertprozentig eingenordetes Debut handelt. Da treffen Liedermacher-Kabinettstückchen wie "hartabersehr", dass sich sicherlich an Mey oder Wecker anlehnen soll auf moderne Indiefolkstücke, wie das feine "Mr. Average", dass mit Geigenklängen und Zweitstimme von Sophia Spöler einen Höhepunkt darstellt. Insgesamt wirken die englischen Songs ausgereifter, verfügen über mehr Dynamik und Energie, was sicherlich auch mit den Wurzeln der musikalischen Gattung zusammenhängt. "Five Miles Out Of Town" ist quirlig, tanzbar und zaubert zu nahezu jeder Zeit ein Lächeln ins Gesicht, das vorhergehende "Traumwelt" ist sicherlich nicht schlecht, verfängt sich aber doch ein wenig zu sehr bei den historischen Vorbildern wie eben Mey und Wader. Dass das aber auch sehr gut funktionieren kann, zeigt er wiederum bei hübschen "Frühlingslied". Behutsam, ja gerade zu in traditonellem Gestus eines Bänkelsängers vorgetragen, sorgt Feldmann hier für Sehnsuchtsmomente, die in den restlichen eigenen deutschsprachigen Stücken manchmal ein wenig zu kurz kommen. Das kraftvolle "Sag es!" ist hier wiederum eher Ausnahme, und bildet mit dem zweistimmig vorgetragenen "Glad" so etwas wie die folkrockende Mitte des Albums. Text und Musik funktionieren hier im munteren Zusammenspiel, Bass und Geige begleiten beschwingt und rücken die Stücke nah an Volksfeste, auf denen sicherlich neben Bier auch Met getrunken und Handgeklapper geboten würde. 
Mit einer sehr klangvollen Version des Waderschen "Traum Vom Frieden" beendet Feldmann seine erste Odyssee im Alleingang und schlägt sich dabei sehr wacker. 
Musikalisch ist "Ich schreibe einfach einen Song!" toll, textlich schrammen vor allem die deutschen Texte manchmal ein wenig zu stark an der Befindlichkeitslyrik vorbei, dennoch darf man sich ruhig wünschen, dass Beni Feldmann weiterhin so manchen weiteren Song schreibt.

Samstag, 14. Januar 2012

Im Schnelldurchlauf: Toni Kater, Junes & Dan Freeman and The Serious

Lange schon kein...ach ich weiß. Dieses Jahr ist noch keine 2 Wochen alt und schon bin ich mit regelmäßigen Beiträgen im Rückstand. Deshalb gibt's jetzt auch als erste Neuvorstellungen für 2012 gleich einen Dreierpack, der sich komplett bei Solaris Empire tummelt. Fangen wir doch mal an:



Toni Kater - Sie fiel vom Himmel

Huch! Deutsche Popmusik auf dem Bänkelsänger? Kann das gutgehen? Jepp, es kann, wenn man sich dem neuen Album "Sie fiel vom Himmel" von Toni Kater widmet, dass am 20.01.12 erscheint. Beim ersten Hören erschließen sich die Songs noch nicht wirklich, manchmal züngeln die Stücke auch ein wenig mit befindlichkeitspoppigen Flammen nach Aufmerksamkeit, doch je länger man sich mit der abwechlungsreichen Produktion beschäftigt, desto mehr Facetten lassen sich entdecken. Eröffnet wird "Sie fiel vom Himmel" fast schon ein wenig glatt, doch spätestens beim erzählerischen "América" das Toni Kater gemeinsam mit Rudolf Moser von den Einstürzenden Neubauten singt, bekommt das Album Glut zugefächelt. Watteweiche Popsongs, die Kater auch mit Moser produziert hat, wechseln sich mit sanft experimentiellen Klängen ab, hier fallen vor allem "Raubtier" und "1 Land" positiv aus dem Rahmen, sowie der letze Track "Was sind das für Zeiten", der wiederum sein Soundgerüst von Schneider TM bekommt. Es ist schon erstaunlich, wie gut man das Thema Pop in Deutschland anpacken kann, ohne knietief im Kitsch zu versinken und dennoch Mut zu Gefühl, Pathos und Klangfülle zu vermitteln.

 



Junes - Don't Leave Me In Autumn

Drei Wochen später, nämlich am 17.02.12, erblickt dann "Don't Leave Me In Autumn" das Licht der Welt. Das dritte Album von Junes besteht aus feinen Indiepop-Songs, die es sich leisten können, den ein oder anderen Elektroschnipsel unterzubringen, ohne gewollt "hip" zu erscheinen. Hier und da klingt ein Geige mit, dann wieder zieht ein Stück wie "Crawling Over Me" am Gemüt und packt seine Hörer am Schlafittchen, um sich mit ihm gemeinsam gedankenverloren durch den Raum zu treiben. Manchmal scheint aber auch soviel Wohlklang zuviel des Guten zu sein. Die zwölf Stücke auf "Don't Leave Me In Autumn" sind wohltemperiert, haben dann aber doch hin und wieder eine Ecke oder Kante zu wenig, um sich im Vordergrund festhalten zu können. Wenn das aber durch Lieder wie das fabelhafte "Save Me" oder das gefühlvolle "Take Away My Pain" aufgefangen wird, kann man sich mit dem Album wunderbar in den Frühlingsabend träumen, und darauf hoffen, dass einen das Gefühl eben dann doch nicht im Herbst verlässt.

 



Dan Freeman And The Serious - I Lie A Lot

Zum Schluß noch der Vermerk auf den Tasmanier Dan Freeman, der bereits im vergangenen November sein Debut " I Lie A Lot" veröffentlicht hat. Freeman mischt seine Songwriterkunst mit Einflüssen aus Elektronik und Powerpop und schlägt auf seinem Erstling schon mal den ein oder anderen Haken. Ganz entzückend gelingt ihm das auf "Fall Slow", dass sich aufmerksamheitsheischend aus dem Albumkontext erhebt und selbst die guten Singles "Words Of Mine" und "Oh My" nach Punkten schlägt. Wer sich von den Livequalitäten des Musikers, der in Berlin Saxophon studiert hat und seine Bandkollegen an der Hochschule für Musik kennengelernt hat: darf sich auf folgende Termine freuen:

31.01.12 Stuttgart, zwölfzehn
01.02.12 Duisburg, Steinbruch
02.02.12 Hannover, Feinkostlampe
03.02.12 Chemnitz, Aaltra
04.02.12 Magedeburg, Moritzhof
06.02.12 Osnabrück, Mojo

Mittwoch, 4. Januar 2012

My Monthly Mixtape: Januar


...und wieder geht ein Jahr. Wie schön, dass es gerade jetzt noch mal Gelegenheit gibt, den ein oder anderen vergessenenen Hit aus 2011 Revue passieren zu lassen, manch Platte, die zum Ende des Jahres im Listenwahn unterzugehen droht noch mal in den Fokus zu rücken und schon die ersten zarten Knospen des beginnenen musikalischen Frühlings in Augenschein zu nehmen. Neben dem Mixtape hilft hier des Bänkelsängers' eigene Vogelschau, doch auch der Blick auf die Zusammenstellungen im klienicum und bei AUFTOUREN lohnen sich ob der Vielfalt an spannenden musikalischen Veröffentlichungen. 
Fangen wir also an zu lauschen und tauchen durch Frühlingswälder, lassen hin und wieder die ein oder andere Schneeflocke in der Hand zerschmelzen und hängen uns fröstelnd den warmen Mantel feiner Melodien um die Schultern:

01. Alcest - Autre Temps
02. King's Daughters & Sons - Lorelei
03. Kate Bush - Snowflakes
04. We Invented Paris - Kyrie
05. Tom Hanson - La La Land
06. The Bailey Hounds - Those Devils Don't Scare Me
07. Doug Tielli - Yes I Am Lonely
08. Bryan John Appleby - The Rider. The Horse. The Land
09. A Jigsaw - My Name Is Drake
10. Lauscher - Krähen Hassen
11. Neil Cousin - Carpathian Mountain March
12. Among the Oak & Ash - Sing Sparrow Sing (The Ballad of Walter Kohn)
13. The Reverend John DeLore - Many Moons Ago
14. Cosmo Jarvis - Gay Pirates
15. Nerve City - Sleepwalker
16. The Black Keys - Lonely Boy
17. Hanni El Khatib - You Rascal You

 wer den Bänkelsänger auch auf Facebook verfolgt, mag es bereits kennen, ich finde aber hier passt es auch noch mal hin. Sing, Hanni, Sing:


...und damit jetzt keiner sagt, ich hätte etwas vergessen, wünsche ich uns allen noch mal schnell ein frohes neues Jahr, hoffe auf unsäglich viel neue tolle Musik, verspreche dass auch dieses Mixtape wieder beim "Radio der von Neil Young Getöteten" läuft und wünsche mir den ein oder anderen netten Leser mehr!